Agrarsymposium: „Landwirtschaft kann Klima schützen“

04.12.2019

Die Frage, wie sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft auswirkt, bewegte rund 700 Landwirte und die Spitze der steirischen Agrarpolitik beim Agrarsymposium in der Raiffeisen-Landesbank Steiermark Ende November in Raaba-Grambach.

Zum steirischen „Agrargipfel“, dem Agrarsymposium der RLB Steiermark, geladen hatten am 28. November Aufsichtsrats-Präsident Wilfried Thoma und Generaldirektor Martin Schaller landwirtschaftlich Interessierte nach Raaba-Grambach. Für Schaller ist der Klimawandel eine der großen Herausforderungen der Gegenwart: „Die heimische Landwirtschaft stellt beim Klimaschutz einen großen Hebel dar und kann Entscheidendes leisten. Dazu benötigt sie aber auch das Vertrauen und den Rückhalt der Gesellschaft und der Politik. Das diesjährige Agrarsymposium soll dahingehend sensibilisieren und motivieren.“

Raiffeisen ist traditionell der führende Partner der steirischen Bauern und setzt auch selbst aktiv Maßnahmen für den Klimaschutz. „Nachhaltigkeit ist seit jeher fest in den Raiffeisen-Genen verankert. Im Bereich Finanzierungen leisten wir Pionierarbeit, indem wir einen finanziellen Anreiz für nachhaltige Investitionen setzen“, so Schaller. Unternehmen, die in erneuerbare Energie, energieeffiziente Gebäude oder zertifizierte Immobilienprojekte investieren, erhalten bei der Raiffeisen-Landesbank Steiermark einen Bonus auf die Kreditkondition. Im Bereich Geldanlage sind nachhaltige Investments im Trend. „Die Kunden entscheiden sich 20 Mal häufiger für Nachhaltigkeitsfonds als noch vor fünf Jahren. Das hängt auch damit zusammen, dass schon mehr als hundert unserer Kundenbetreuer als Nachhaltigkeitsberater zertifiziert sind“, ergänzte Schaller.

Treibhausgas und Landübernutzung sind Gründe

In einem Impulsvortrag berichtete Andrea Steiner, Leiterin des Wegener Centers für Klima und globalen Wandel der Universität Graz, wie sich die Steiermark in den nächsten 20 Jahren verändern wird. „Die globale Klimakrise ist ohne Zweifel vom Menschen durch Treibhausgasemissionen und Landübernutzung verursacht. Die Erde hat sich im globalen Mittel bereits um ein Grad Celsiums erwärmt und Hitzerekorde häufen sich. Diese Klimaentwicklung trifft die Steiermark stark, wo der Temperaturanstieg regional weit höher ist, doppelt so hoch in Graz und in der Südoststeiermark noch stärker. Die Folgen sind für uns Menschen bereits spürbar in Form von Extremereignissen, die weiter zunehmen werden. Dies zeigt sich in Hitzetagen, Dürreperioden und Wasserknappheit sowie Wetterextremen wie Starkniederschlägen. Das Risiko von Spätfrösten besteht weiterhin und stellt besonders die Landwirtschaft vor große Herausforderungen“, sagt Steiner. Um diese zu bewältigen sei entschiedenes Handeln notwendig durch eine sozial-, wirtschafts- und umweltgerechte Klimapolitik. Ziel müsse es sein, „die Emissionen zu senken“.

Klimaschutz darf nicht neue Bürokratie bedeuten

Selbiges forderte in der anschließenden Podiumsdiskussion auch EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer. Für sie sei entscheidend, „dass die umwelt- und klimawirksamen Maßnahmen in der nächsten Gemeinsamen Agrarpolitik für die Bäuerinnen und Bauern einen erkennbaren Nutzen haben müssen, in der Praxis umsetzbar sind und nicht nur neue Bürokratie bedeuten. Eine moderne und klimafreundliche Landwirtschaft braucht Pflanzenschutzmittel- und Tierschutzstandards, die eine Lebensmittelproduktion in Europa ermöglichen.“ Was der grüne Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Österreich tatsächlich bedeuten wird, bleibe abzuwarten. „Die Latte liegt hoch“, so Schmiedtbauer.

Weniger Niederschlag, höhere Temperaturen

„Österreich steht zwar auf der WRI-Rangliste auf Platz 134 und zählt damit zu der Gruppe der Länder mit einem niedrigen Trockenheitsrisiko. Aber da wir in Zukunft von einem gleichbleibenden bis leicht abnehmenden Sommer-Niederschlag ausgehen und gleichzeitig die Temperatur bis 2065 um weitere ein bis zwei Grad Celsius ansteigen wird, wird sich die Trockenproblematik auch in der Steiermark zukünftig verschärfen“, prognostizierte Alexander Podesser, Leiter der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Die letzten beiden Jahre seien ein Vorgeschmack auf das gewesen, was im Jahr 2065 ein durchschnittliches Jahr sein wird. „Trockenperioden werden sich also in Zukunft nicht verhindern lassen. Wirksame Anpassungsstrategien im Agrarbereich sind am ehesten in einer Umstellung auf trockenresistentere Pflanzen zu sehen. Betreffend die Trink- und Brauchwasserversorgung kann ein ressourcenschonender Umgang im Alltag viel bewirken. Aber auch in der fortschreitenden Bodenversiegelung muss ein Umdenken stattfinden“, appelliert Podesser.

Neue Schädlinge und Krankheiten

Johann Gasteiner, Direktorstellvertreter und Leiter für Forschung und Innovation der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, ortete den kritischsten Bereich des Klimawandels in den zunehmen Witterungsextremen wie Trockenperioden, Starkregen und Naturkatastrophen. „Bereits jetzt haben wir außerdem vermehrt mit neuen Pflanzen-Schädlingen (Pilz und Rost-Krankheiten, Eschensterben, Borkenkäfer-Problematik) und bislang bei uns nicht bekannten Krankheitserregern bei Tieren (Blauzungenkrankheit) zu kämpfen“, so Gasteiner. Gegen Trockenschäden würden vermehrter Einsatz von trockenheitsresistenten Kulturen helfen, züchterische Verbesserung dieser Kulturen sowie die vermehrte Futterproduktion im Frühjahr und Herbst. Auch das Thema Methangasemission spiele eine Rolle. Von den zehn Prozent Anteil, die die Landwirtschaft an der CO2-Belastung habe, entstünden 70 Prozent dadurch. „Wichtiger wäre es jedoch, die unzähligen Transportwege zu überdenken“, so Gasteiner. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt Gasteiner Landwirten diese Tipps: „Grundfutter-Reserven sind einzukalkulieren und Versicherungen gegen Dürre, Hagel und andere Naturkatastrophen in Betracht zu ziehen. Zudem ist eine klare, individuelle Betriebsstrategie mit Blick auf Potenzial, Zukaufs- und Absatzchancen unabdingbar. Wo es möglich ist, wird Bewässerung in Zukunft eine große Rolle spielen.“

Humus könnte CO2-Belastung senken

Rainer Dunst, Initiator und Obmann der Ökoregion Kaindorf erklärte, warum Humusaufbau ein wichtiger Teil einer Klimastrategie sein kann. „Das vielfach erprobte Humus-Programm der Ökoregion, an dem 300 Landwirte in ganz Österreich teilnehmen, hat enormes Potenzial und erfährt europaweit immer mehr Aufmerksamkeit. Es ist eine riesige Chance für unsere Landwirte und unser Klima, denn Humus bindet CO2 und könnte die CO2-Belastung in Österreich um 15 Prozent senken. Zusätzlich werden Böden durch gezielten Humus-Aufbau stabiler und können ein Vielfaches an Wasser aufnehmen, Abschwemmungen vermeiden und Trockenperioden entgegenwirken. Pflanzen werden auf natürliche Weise gestärkt und das Grundwasser ebenso wie das Klima entlastet. Ihre Leistung bekommen die Landwirte über den Humus Zertifikate-Handel von der Wirtschaft honoriert.“