Aus ethischer Sicht gehört Genossenschaften die Zukunft

30.09.2011

Der Frage nach der „Ethik in der Genossenschaft“ ging der Raiffeisenverband Steiermark bei seinem diesjährigen Verbandstag nach. „Die Genossenschaftsidee könnte zum Leitstern einer neuen Marktwirtschaft werden“, betonte der renommierte Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann in seinem Gastreferat.

Gut 450 Gäste, darunter zahlreiche Prominenz aus Politik und Wirtschaft wie Landesrat Johann Seitinger, Altvizekanzler Josef Riegler und der Grazer Finanzstadtrat Gerhard Rüsch folgten der Einladung des Raiffeisenverbandes Steiermark zum Verbandstag unter dem Motto „Genethik – Ethik in der Genossenschaft“ in den Grazer Messe Congress. Selbstverständlich durfte auch die gesammelte Raiffeisen-Familie – angeführt von RLB-Chef Markus Mair und seinen Vorstandskollegen – bei der Veranstaltung, durch die Verbandsobmann Franz Titschenbacher und Verbandsdirektor Heinz Herunter führten, nicht fehlen.

Wie schon erstmals im Vorjahr, war der Verbandstag wieder dem Genossenschaftswesen einer steirischen Region gewidmet. Diesmal präsentierte sich die Südoststeiermark mit ihrer genossenschaftlichen Vielfalt sowohl in Wort als auch in Bildern mittels eines zehnminütigen Filmes bzw. mit seinen regionalen Köstlichkeiten beim anschließenden Buffet.

Geprägt vom Motto des Verbandstages „Genethik – Ethik in der Genossenschaft“ waren die Ausführungen von Verbandsobmann Franz Titschenbacher. Gerade die Philosophie Raiffeisens vom gelebten Miteinander statt schneller Gewinne habe sich laut Titschenbacher bewährt. Davon zeugt Anfang Oktober auch das 125-jährige Bestandsjubiläum von Raiffeisen in Österreich. „Die Werte Solidarität, Nachhaltigkeit, Vertrauen und Sicherheit sind der genetische Code, den uns Friedrich Wilhelm Raiffeisen mit seiner Idee vermittelt hat, und dem wir uns im täglichen Wirken verpflichtet fühlen.“

In seinem Bericht betonte Verbandsdirektor Heinz Herunter nicht nur die effiziente Durchführung der gesetzlichen Revision bei den Mitgliedsbetrieben, sondern auch deren Vorteil: die Gebarungsprüfung. „Gerade diese Prüfung als Kernkompetenz der Revisionsverbände bietet den Geprüften einen Mehrwert, den reine Wirtschaftsprüfer, deren Geschäftsmodell nun auch von der EU in Frage gestellt wird, nicht bieten können“, so Herunter. Diese Stärke soll zukünftig durch eine bundesweite Gebarungsprüfungsrichtlinie untermauert werden, wo bei der Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Unternehmensführung auch ethische Fragen und Soft-Skills kritisch beurteilt werden.

Ein Vorbild, das in Zukunft mehr denn je gefragt sein wird, sieht der Verbandsdirektor im Geschäftsmodell der steirischen Raiffeisenbanken, das auf Nähe, Vertrautheit und berechenbare Sicherheit aufbaut. „Daher ist es auch wichtig, dass in Brüssel bei der Einführung von Basel III auf die Besonderheiten der kleinstrukturierten Banken eingegangen wird.“

Der von Herunter vorgestellte Jahresabschluss des Raiffeisenverbandes für das Jahr 2010 hob trotz der wirtschaftlich allgemein turbulenten Zeiten die kostenbewusste Unternehmensführung des Non-Profit-Unternehmens hervor, die auch vom scheidenden Generalrevisor des Österreichischen Raiffeisenverbandes, Hans Chaloupka, bestätigt wurde.

Voll den Nerv der Zeit und der anwesenden Gäste traf der Berliner Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann mit seinem Gastreferat „Weg von der Gewinnmaximierung – hin zu guter Unternehmensführung“. Der führende Wirtschaftsethiker im deutschsprachigen Raum, der aufgrund seiner Laufbahn vor allem in Deutschland und der Schweiz hohe Bekanntheit besitzt, stellte in seinen Ausführungen insbesondere das allseits gelehrte Prinzip der Gewinnmaximierung als ultimatives Kriterium „guter“ Unternehmensführung in Frage.

Gewinne seien für ein Unternehmen zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichts unverzichtbar, aber die Maximierung der Gewinne lasse sich heute unter gar keinen Umständen mehr ethisch rechtfertigen, so Thielemann. „Nicht das Gewinnprinzip, sondern das Moralprinzip muss letztlich maßgeblich sein. Gute Unternehmensführung ist daher statt vom Gewinnprinzip von wahrhaftiger Geschäftsintegrität getragen.“ Diese zeichne sich durch einen fairen Umgang mit allen Beteiligten, den Angestellten, den Lieferanten und den Konsumenten aus. „Unternehmen, die mit den Betroffenen verantwortungsvoll umgehen, können gerade deswegen finanziell erfolgreich sein“, ist Thielemann überzeugt, dass diese Einstellung von den Bürgern honoriert wird. Er sieht aber auch den Staat durch die Schaffung entsprechender wirtschaftlicher Regulierungen gefordert: „Die Rahmenordnung muss sicherstellen, dass der verantwortungsbewusste Unternehmer nicht der Dumme ist.“

Speziell die Genossenschaften hätten aufgrund ihrer grundlegenden wirtschaftlichen Ausrichtung einen Vorteil, meint der Wirtschaftethiker. „Genossenschaften stehen im Besitz von Arbeitnehmern, Konsumenten und Lieferanten. So erfahren sie von diesen auch keinen Druck, möglichst hohe Renditen zu erzielen, sondern können sich um eine gemeinsame Selbsthilfe zur Förderung der Mitglieder bemühen. Daher könnten die Genossenschaftsidee zum Leitstern einer erneuerten sozial-ökologischen, menschlichen Marktwirtschaft werden“, glaubt Ulrich Thielemann.

Sämtliche Fotos vom Verbandstag finden Sie hier.