Uni Graz: Corona-Krise stärkt kooperatives Wirtschaften

21.04.2020

Die wirtschaftlichen Langzeitfolgen des mehrwöchigen Lockdowns in Österreich sind derzeit noch nicht absehbar, fix ist aber, dass auch hierzulande zahlreiche KMUs und EPUs um das finanzielle Überleben bangen. Sind Genossenschaften die krisenfestere Unternehmensform? Die Universität Graz beantwortet Fragen zur Corona-Krise.

Die wirtschaftlichen Langzeitfolgen des mehrwöchigen Lockdowns in Österreich sind derzeit noch nicht absehbar, fix ist aber, dass auch hierzulande zahlreiche KMUs und EPUs um das finanzielle Überleben bangen. „Die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass wir uns für die Zukunft alternative ökonomische Modelle überlegen sollten, die auf Solidarität und Kooperation beruhen“, meint Andreas Exner vom Regionalen Zentrum für Nachhaltigkeit an der Universität Graz (RCE Graz-Styria). Er koordiniert das von der Stadt Graz im Rahmen des Kulturjahres 2020 geförderte und auch vom Raiffeisenverband Steiermark unterstützte Forschungsprojekt "City of Collaboration", das genossenschaftlichem Wirtschaften zu neuem Aufschwung verhelfen soll.

Lokal, produktiv, inklusiv

Als die ÖVP und die Grünen Anfang 2020 ihr Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre präsentierten, war der Corona-bedingte Lockdown noch nicht absehbar. Dennoch bekannten sich die beiden Parteien schon damals zu einer Förderung von Genossenschaften als „nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform zur Unterstützung der kleinen und mittelständischen Unternehmen.“ Nun hätten die aktuellen Ereignisse gezeigt, dass die Zukunft tatsächlich in der Solidarischen Ökonomie liegen muss, unterstreicht Exner: „Im Gegensatz zu konventionellen Wirtschaftsformen sind Genossenschaften – das belegen viele Studien seit der Finanzkrise 2008 – widerstandsfähiger in Krisenzeiten und gleichzeitig sozial inklusiver. Man ist mit dem Investitionsrisiko nicht auf sich allein gestellt, sondern teilt die Kosten, Gewinne und Verluste.“

Gemeinsam durch schwierige Zeiten

Durch eine auf die Beteiligten zugeschnittene Arbeitsorganisation punktet diese Unternehmensform auch bei der Produktivität. „Gemeinschaftlich geführte Initiativen können außerdem viel leichter den Fokus auf die Produktion vor Ort und lokale Besonderheiten legen und so eine gute Alternative zum Angebot internationaler Konzerne bieten“, beschreibt Exner und führt dabei einige erfolgreiche, heimische Beispiele an: im Ennstal bietet das Genossenschaftsgeschäft Um’s Egg regionale Nahversorgung; partizipativer Wohnbau wird bei Die WoGen realisiert, zu deren Gruppe auch die Wohnhausanlage KooWo bei Graz gehört; und die ESIT, die Erste Steirische IT-Genossenschaft mit Sitz in Semriach, unterstützt Software-Programmierer, die als EPUs oft rund um die Uhr für ihre Kunden da sein müssen. „Diese Beispiele zeigen, dass solidarische Ökonomien auch die Versorgungssicherheit im ländlichen Raum erhöhen können“, fasst Exner zusammen. Und nicht zuletzt gibt es eine Reihe von Hinweisen darauf, dass Genossenschaften einen wichtigen Beitrag für eine klimaneutrale Gesellschaft leisten können: „Ressourcen werden hier geteilt beziehungsweise ganz selbstverständlich mehrfach genutzt“, unterstreicht der Grazer Forscher.

Webseite als Drehscheibe für den deutschen Sprachraum

Corona-bedingt müssen Exner und sein Team aktuell viele Aktivitäten des Forschungsprojekts in den virtuellen Raum verlegen. Die Projekt-Webseite soll dafür eine zentrale Drehscheibe zur Vernetzung und für den Informationsaustausch im deutschsprachigen Raum werden. Bislang fehle so eine Plattform, so Exner, der laufend Interviews mit verschiedenen Akteuren führt. „Wir wollen herausfinden, für wen diese Wirtschaftsform interessant ist, für wen nicht und welche Hindernisse es abzubauen gilt, um eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft dafür zu schaffen“, erklärt der Forscher.